Blasen, Wunden, Schlamm und atemberaubende Aussichten

Tag 1

Nachdem wir - das heißt mein Mentor-Body, sein Bruder, dessen Freundin, ein Freund der drei und ich - am Montag unsere Verpflegung für den Drei-Tages-Trip eingekauft hatten, ging es dann am Dienstag morgen um 9Uhr los. Zunächst fuhren wir nach Waitati, einem kleinen Ort nördlich von Dunedin, und über eine Schotterstraße zum Ausgangspunkt unseres Tramps im Silver Peaks Scenic Reserve.

Das Wetter kann sich ändern

Gegen 10Uhr schulterten wir bei strahlendem Sonnenschein und gefühlten 20°C unsere Rucksäcke und starteten in die Wildnis. Nach etwa einer Stunde leichtem bergauf und durch ein wenig leichten Matsch gelangten wir an eine Stelle, wo früher einmal das Green Hut stand bevor es abgebrannt war. Ein offizielles Schild vom DOC wies darauf hin, dass der Pfad von nun an nur für erfahrene Wanderer geeignet sei und man auf schnell wechselnde Wetterverhältnisse vorbereitet sein sollte.
Kaum hatten wir das Schild gelesen, unsere Rucksäcke abgesetzt und Brot, Käse und Salami für den Mittags-Snack ausgepackt, bewölkte es sich und wir waren mitten in einem Hagelschauer. Innerhalb von nur drei Minuten (!) war das Wetter von sonnig-warm mit leichtem angenehmen Wind zu regnerisch-kalt mit stark böigen Northwesterlies umgeschlagen.
Wir flüchteten unter die kleinen Bäumchen, die uns ein wenig Schutz boten und beendeten das Mittagessen nachdem wir die Regenklamotten und Handschuhe (es war eisig kalt geworden) hervorgeholt hatten.
Die gesamte Situation, das Schild und das Wetter, hatte ein wenig Komik und wir gut Lachen.

Der weitere Weg - oder besser Pfad - war in der Tat nicht angenehm zu laufen, war er doch von viel Regen sehr ausgespült und teilweise wirklich rutschig. Nach kurzer Zeit erreichten wir die Baumgrenze und den Hügelkamm und waren von nun an dem starken Wind voll ausgesetzt. Doch immerhin hatte sich der Regen verzogen und die Sonne strahlte erneut - warm war es aber immer noch nicht.
Eine halbe Stunde nach unserer Mittagspause erreichten wir den ersten markanten Punkt, den Pulpit Rock. Der Gipfel lag leicht abseits des Weges, der nun zu einer regelrechten Straße, einem Vehicle Track, wurde, so dass man gar nebeneinander gehen konnte: Easy walking! Wir legten unsere Rucksäcke ab und “sprangen” auf den Gipfel, um uns in den Wind zu legen und die atemberaubende Aussicht zu genießen.

Ein oder zwei Müsli-Riegel später ging es dann weiter Richtung Silver Peaks, deren Gipfel wir schon seit einiger Zeit sehen konnten. Der Weg führte entlang der Hügelkämme und war mehr oder minder eben, hatte keine steile Passagen und der Wind blies konstant böig aus Nordwest.

“Steep and slippery!”

Nachdem wir die Silver Peaks erreicht hatten, ging es nur noch bergab. Zunächst sanft und einfach zu laufen, doch zunehmend steiler und rutschiger, um schließlich in der Devil’s Staircase (dt. Teufelstreppe) zu enden. Einem Stück, bei dem etwa 150 Höhenmeter auf geschätzten 50 Luftmetern zurückgelegt werden. Es war steil, nahezu senkrecht, rutschig, felsig und überall Stechginster. Diese Pflanze ist aus England importiert worden, blüht wunderschön gelb und hat sehr scharfkantige und spitze Blätter, die die Beine auch durch die Hose zerkratzen. Besonders “schön” ist es, wenn man ins straucheln gerät und instinktiv sich mit den Händen irgendwo abstützen oder festhalten will - und genau in den Stechginster greift. Doch in der Ferne konnten wir Jubilee Hut (Beschreibung des Jubilee Hut bei DOC), unser Tagesziel, bereits sehen, was uns anspornte.

Aber nichts desto trotz erreichten wir das Tal und es war wirklich erholsam wieder Vögel zwitschern, Wasser plätschern und den Wind leicht in den Blättern der Bäume rauschen zu hören. Eine halbe Stunde und ein paar Sprünge über den Bach später erreichten wir den Fuß des Berges, an dessen Nordflanke auf etwa 250m die Hütte war. Die letzten Meter waren schnell geschafft und gegen halb drei waren hatten wir die Rucksäcke abgesetzt und die Schuhe und Strümpfe zum Lüften ausgezogen.

Jubilee Hut

In der Hütte waren wir in der Nacht nicht die einzigen. Vor uns waren bereits drei Mädels angekommen und nach uns kamen noch zwei Gruppen mit jeweils drei Man(n). Die Hütte war randvoll und drei mussten auf glücklicherweise mitgebrachten Isomatten auf dem Boden schlafen.
Das Abendessen hat mir schon lange nicht mehr so gut geschmeckt: Nudeln mit Hähnchenfleisch und Tomatensoße; gekocht auf zwei Gaskochern für fünf Personen. yummy

Die Hütte selbst ist vor zwei Jahren errichtet worden und hat das alte Jubilee Hut weiter unten im Tal ersetzt. Sie ist um einiges komfortabler und moderner als die meisten Studenten-Flats: Isolierung und Thermofenster! Die eine Ecke bietet eine große Aluminium-Arbeitsfläche, auf die man seine Gaskocher stellen und das Essen zubereiten kann. In der anderen Ecke ist eine Sitzecke und ein Tisch sowie zwei Sitzbänke. Der hintere Bereich der Hütte besteht aus den Liegeflächen für insgesamt zehn Personen - fünf unten, fünf oben. Matratzen liegen bereit.
Draußen ist ein großer 2.000l-Wassertank, der durch das vom Dach aufgefangene Regenwasser gespeist wird. Ein paar Meter abseits der Hütte ist ein kleines Plumsklo-Häuschen.

Am Abend, es war gegen 20Uhr und schon dunkel, sahen wir vier kleine Lichtpunkte die Devil’s Staircase herunterkommen. Es waren vier Mitglieder der Search&Rescue-Staffel der Polizei, die von den drei Mädels gerufen wurden. Sie hatten sich tagsüber auf dem Weg zur ABC Cave verlaufen und in dem beschissenen Wetter Panik bekommen. Die Mädels hatten Glück, denn dieser Polizeieinsatz hat sie nichts gekostet - wäre ein Hubschrauber gekommen, um sie zu suchen und zu retten, hätte das etwa $1.000 gekostet.
Die vier Profi-Tramper sind dann nach einem kurzen Funkspruch wieder zurück gegangen. Es ist schon beeindruckend, denn diese vier Profis sind genau den gleichen Weg gekommen, den wir tagsüber gegangen sind - und haben nur etwa 2,5h gebraucht.

Tag 2

Die Nacht war recht warm aber nicht sehr erholsam. Dazu sind ein Schlafsack und eine dünne, harte Matratze nicht bequem genug - und ich nicht daran gewöhnt. Wir sind um etwa 10Uhr aufgestanden, nachdem zwei der drei Gruppen schon gegangen waren und es etwas ruhiger in der Hütte war. Zum Frühstück gab es Porridge (Haferflocken in Wasser oder Milch gekocht). Da das Wetter alles andere als einladend wirkte, entschieden wir uns nicht zur ABC Cave aufzubrechen, sondern an der Hütte zu bleiben.

“Kill the pine-trees!”

Ron, der erfahrenste von uns fünfen, hatte auf dem Berg oberhalb der Hütte ein paar Pinien entdeckt. Diese Bäume sind Exoten und gehören beim besten Willen nicht in einen neuseeländischen Naturschutzpark. Also haben sich Victor, Ron und ich mit Taschenmessern bewaffnet und sind auf den Berg ‘rauf.

Wir hatten gerade eine Felsformation erreicht, da kam ein Schneeschauer herangefegt und wir mussten für etwa eine viertel Stunde im Schutz der Felsen bleiben. Doch von da an hatten wir Glück und es sollte der einzige Schneeschauer für den restlichen Tag bleiben. So konnten wir ungestört und bei Sonnenschein - aber einem starken und böigen Nordwestwind - die Pinien umhauen. Einige waren etwas zu groß für unsere Taschenmesser, so dass wir sie in Bodennähe rundherum entrindet haben, um sie ausbluten zu lassen.

Nach und nach erklommen wir den steilen Berg und standen schließlich auf dem Gipfel in etwa 700m Höhe. Die Aussicht war beeindruckend und wir konnten in Nord-Nordost das Meer, in Südwest Central Otago, im Süden Swampy Summit (der das dahinter liegende Dunedin verdeckt) und in Südost die Otago Peninsula sehen.

Kamera kaputt

Der Abstieg war sehr gefährlich und wir sind mehrmals ausgerutscht. Sich auf den Hosenboden zu setzen war teilweise weniger schmerzhaft, als sich mit den Händen abzustützen, denn wenn uns auch kein Stechginster zu schaffen machte, so war es diesmal eine Pflanze, das wie eine junge Flachsflanze aussieht, jedoch nadelspitze Blätter hat. Greift man mit den Händen unglücklicher Weise hinein, so kann man seinen Blutzucker an ganz vielen Stellen gleichzeitig messen.
Bei einem dieser Ausrutscher, bei denen ich mich nicht abgestützt habe bzw. es nicht konnte, landete ich zuerst auf meiner Kamera, die ich in der Tasche auf meinem Rücken trug. Resultat war, dass die Kamera zwar keine äußeren Beschädigungen hatte und auch die Objektive waren in einem einwandfreien Zustand - doch ließ die Kamera sich nicht mehr einschalten. Sie bekam einfach keinen Strom mehr.

Doch viel Zeit zum Trauern blieb nicht, denn wir wollten zur Hütte zurück, da wir über Central Otago eine graue Wand auf uns zukommen sahen. Also ging es über einen Wildpfad gen Tal - um hier und da kurze Abstecher zu Pinien zu machen.

Nach etwa dreieinhalb Stunden waren wir wieder zurück an der Hütte und hatten insgesamt 17 Pinien “gekillt”. Das ist unserer Beitrag zur Erhaltung der einzigartigen neuseeländischen Flora.

Am Abend sammelten wir ein paar schöne, runde Steine und spielten eine Runde Boule, um anschließend unsere eingefrorenen Hände beim Abendessen aufzuwärmen: Nudeln mit Tomatensoße und Steak.
In dieser Nacht blieben wir die einzigen in der Hütte und draußen fing es an zu schneien. Daher war diese Nacht recht kühl und frisch - auch in der Hütte.

Tag 3

Wir machten uns keinen Stress und schliefen wieder bis etwa halb zehn. Nach einer ordentlichen Portion Porridge und einem heißen Kaffee oder Milo (das ist die bekannteste und beliebteste Instant-Kakao-Marke hier in Neuseeland) packten wir dann unsere Rucksäcke und machten einen kurzen Putz durch die Hütte - sie hatte es mal wieder nötig. Gegen 11Uhr starteten wir dann unseren Heimweg. Da es über Nacht ordentlich geschneit hatte, hatten wir schon einige Bedenken, wie gut wir die Devil’s Staircase meistern würden. Wirklich ausgerutscht ist niemand und wir waren recht flott oben auf den Silver Peaks.

Ungemütliches Wetter

Der Wind hier oben war nun alles andere als angenehm und ohne Fleece-Pullover und winddichter Jacke fror man. Auch wenn die Aussicht mal wieder atemberaubend war, wollten wir nicht lange dort oben verweilen, so dass wir mit einem strammen Schritt gen Süden zum Auto marschierten. Der Weg war an vielen Stellen sehr schmierig und man musste wirklich aufpassen, nicht mit dem Hosenboden in einer kleinen Matschpfütze zu landen.

Nach etwa zweieinhalb Stunden erreichten wir die Stelle des ehemaligen Green Hut, wo uns auf dem Hinweg das schlechte Wetter überrascht hatte. Hier machten wir wieder unsere Mittagspause und verzehrten die letzten Müsli-Riegel, Äpfel sowie Salami, Käse und Brot.
Wir erwarteten von nun an Sonnenschein und perfektes Wetter, doch wurden leider enttäuscht. Also ging es in gleichem Tempo weiter.

Nach einer weiteren halben Stunde entschied sich Victor, nicht zum Auto sondern direkt nach Dunedin zu laufen - weitere drei Stunden über Swampy Summit und durch das Leith Valley. Wir anderen nahmen den Weg zum Auto und mussten viele Male gewagte Sprünge über tiefen Matsch machen oder uns teilweise akrobatisch daran vorbei hangeln.

Kaum waren wir am Auto angekommen, fing es an zu Regnen - vermischt mit Hagel. Wir zogen unsere Schuhe aus, verstauten die Rucksäcke und fuhren zurück. Die Fahrt über die Schotterstraße war in dem Honda von Alex alles andere als “easy driving” und wir setzten zwei Mal hart auf. Die Schlaglöcher waren etwas zu tief für den Honda Civic. Doch nichts desto Trotz kamen wir gegen 15Uhr in Dunedin an.

Fazit

Ich kaufe mir neue Wanderschuhe! Mehr muss ich nicht sagen, denn meine Füße sind eine große Blase. Die Schuhe, die ich von meinem Vater geliehen habe, passen einfach nicht zu meinen Füßen. Die letzten Kilometer waren eine Qual und ich habe wieder eine Sehnenscheidentzündung an beiden Achillessehnen. Glückwunsch!

Aber dennoch waren es drei richtig tolle Tage und nun weiß ich in etwa, wo meine Grenzen sind und wo und was ich trainieren muss: Oberschenkel und Kondition! Auch weiß ich nun, wie ich meinen Rucksack richtig einstellen muss, so dass er mir beim nächsten Mal nicht wieder die Hüften aufscheuert. Das tut echt weh, wenn man in Gürtelhöhe zwei richtig wunde Stellen hat.

Meine Kamera funktioniert glücklicher Weise wieder. Es hat sich lediglich der Akku durch den Stoß beim Fall komplett entladen. Ich hoffe nur, dass er die Kapazität nicht verloren hat.

Danke!

Danke an all diejenigen, die den gesamten Artikel gelesen haben! Respekt! 1.920 Wörter!

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