Spontanität einmal neu definiert
Vorweg entschuldige ich mich schon einmal für diese zwei sehr langen Artikel direkt hinter einander, doch ließ es sich leider nicht vermeiden.
Am Freitag Abend saß ich mit ein paar der Deutschen hier zusammen beim Kochen und Quatschen. Zwei hatten einen kleinen Wochenendausflug nach Te Anau ins Fiordland geplant beziehungsweise als Idee geäußert. Sie fragten mich, ob ich Lust hätte mitzufahren. Es war etwa halb neun Abends und, nun ja, ich sagte spontan zu. Am nächsten Morgen um 6Uhr fuhren wir los.
Samstag - Tag 1
Mit dem eigenen Auto, ein 14 Jahre alter Nissan mit vielen Macken, Schrammen und Beulen, fuhren wir dann los. Nach einem kurzen Zwischenstop im Supermarkt - ich hatte ja keinerlei Verpflegung zu Hause gehabt - kamen wir dann pünktlich zum Sonnenaufgang in die Taieri Plains. Der Nebel und die ersten Sonnenstrahlen waren wunder schön und trotz unserer Müdigkeit verspürten wir einen leichten Anflug von Urlaub und Freiheit. Hilfe klingt das jetzt pathetisch…
Die vierstündige Fahrt nach Te Anau war ruhig, ja fast schon langweilig, denn die Highways hier in Neuseeland sind eher als mäßig ausgebaute Landstraßen zu bezeichnen. Mehr als eine Spur pro Richtung findet man nur an besonders steilen Hügeln und der Asphalt ist sehr grobkörnig, so dass man nach einigen Stunden Fahrt ein leichtes Dröhnen in den Ohren hat. In Gore machten wir eine kleine Tankpause und etwa 50km vor Te Anau - die Berge waren schon längst in Sichtweite - dann eine Foto- und Snack-Pause mit Fahrerwechsel.
Te Anau und dem Kepler seine Straße
Te Anau selbst ist nicht mehr als eine Hauptstraße an der ein paar der wichtigsten Läden liegen und in den Seitenstraßen und am Lakedrive unzählige Hostels, Motels und B&Bs. Und, ganz wichtig, die letzte Tankstelle in Richtung Milford Sound!
Zum Milford zog es uns nicht, sondern ein Stück weiter südlich von Te Anau startet und endet der Kepler-Track, einer der acht Great Walks.
Wir wollten ein kleines Stück auf ihm zur ersten Hütte gehen.
Der Track selber ist recht schön, doch führt er fast ausschließlich durch den Wald - mit gelegentlichen Ausblicken, die aber recht schnell langweilig werden.
Nach 1,5h gelangt man dann an die erste Hütte - oder soll ich besser Haus sagen - erreicht.
Der Weg, auf dem man geht, ist sehr breit und befestigt.
Schlamm ist sehr selten und man muss in keinster Weise auf seine Füße achten.
Im Vergleich zu dem Pfad, den ich unter der Woche in den Silver Peaks gelaufen bin, war es auf dem Kepler Track langweilig.
Es ist halt für die Massen ausgelegt, was auch gut ist, denn so wird die Natur etwas besser geschützt, da keiner seinen eigenen Weg bahnt.
Die erste Hütte liegt am Ufer des Lake Manapouri mit einem schönen Sandstrand. Viel länger als für ein paar Fotos sind wir aber nicht dort geblieben, da die Sandflies uns doch arg zugesetzt haben. Wer mit dem Begriff Sandfly nichts anfangen kann, der stelle sich ein große Obstfliege (etwa 3mm lang) vor, deren Bisse um einiges hartnäckiger als Mückenstiche sind. Sie jucken für mehrere Tage. Gerade an der neuseeländischen Westküste sind sie eine Plage - nicht nur im Sommer.
Und wieder spontan
Als wir wieder am Auto waren und uns einen Kaffee gekocht hatten, fuhren wir weiter nach Manapouri, einem kleinen Ort südlich von Te Anau.
Von hier aus starten die Touren in den Doubtful Sound.
Wir informierten uns, wie teuer solche Touren sind und haben einen kleinen Schock bekommen: $260 für eine 9h-Tour.
Wir waren schon fast wieder am Auto, da entdeckten wir ein recht unscheinbares Schild bei einem der kleineren Touren-Anbieter, das den gleichen Trip für $140 anbot: Winter Special! Wir sprachen mit den Besitzern, die gerade eben abgeschlossen hatten und sie sagten uns, dass sie maximal 20 Leute auf einen Trip mitnehmen und dass erst am Montag wieder Plätze frei wären.
Wir überlegten kurz und entschieden uns dafür, am Montag die Uni für uns ausfallen zu lassen und einen Tag länger im Fiordland zu verweilen und in den Doubtful Sound zu fahren.
Barnyard Backpackers
So hieß das Hostel, in dem wir nächtigten. Außer uns waren noch zwei andere Pärchen im Hostel. Wir wählten ein Dorm für maximal fünf Personen und zahlten NZ$26 pro Nacht. Aus dem Fenster hatten wir eine perfekte Sicht über Lake Manapouri und auf die dahinter liegenden Berge. Der Sonnenuntergang und -aufgang war wirklich beeindruckend und schön. Der Aufenthaltsraum in dem Hauptgebäude etwa 50m oberhalb der Schlafhütten war sehr rustikal gehalten, hatte zwei große Kamine und eine bequeme Sitzecke in der oberen Etage mit Pool-Tisch.
Sonntag - Tag 2
Da wir viel vom Tag haben wollten, sind wir um sieben Uhr aufgestanden, haben gefrühstückt und dann mit dem Auto nach Te Anau gefahren.
Im Supermarkt dort haben wir unsere Verpflegung für den zusätzlichen Tag gekauft und mussten feststellen, dass die Preise trotz Touristenhochburg nicht viel teurer waren als in Dunedin.
An der Tankstelle haben wir dann noch einmal vollgetankt und sind dann in Richtung Milford Sound aufgebrochen.
Wir hatten erfahren, dass die Straße ab Mittags geöffnet wird und wir so die Chance hatten, den Milford Sound zu sehen.
120km Sackgasse
Die Straße von Te Anau hoch zum Milford und Hollyford Sound geht für ungefähr 100km fast schnurgerade aus durch ein lang gezogenes Tal, in dem der Lake Te Anau und Lake Gunn liegen. Zu beiden Seiten des Tals wachsen die Berge sehr steil auf etwa 1.000m an. Entweder fährt man durch einen dichten Wald oder weites Grasland. Hier und da gibt es Camp Sites, auf die man sich mit dem Wohnmobil stellen kann.
Wir hielten an verschiedenen Stellen, um uns die Stelle genauer anzuschauen und Fotos zu schießen. Ein Pflicht-Stop war an den Mirror Lakes, das im Endeffekt nur größere Pfützen im Sumpf sind, deren Oberfläche aber spiegelglatt ist - es sei denn die paar vorhandenen Enten meinen sich bewegen zu müssen. Hier ließen sich wirklich schöne Aufnahmen von den Bergen machen, die sich im Wasser perfekt spiegelten.
An einer anderen Stelle hielten wir etwas abseits der Straße an einem Lookout Point und machten unsere erste Begegnung mit einem Kea.
Diese Vögel sind wirklich frech und dreist und haben sich schon längst perfekt an die Touristenmassen gewöhnt.
Sobald ein Auto anhält und eine Tür geöffnet wird, stehen gleich ein oder zwei Keas bereit und gucken einen erwartungsvoll an.
Es ist zwar verboten Keas zu füttern, doch machen es viel zu viele Leute.
Besonders kritisch wird es, wenn sich die Vögel dem Auto noch weiter nähern.
Sie lieben die Kunststoffdichtungen der Autos.
Und obendrein sind sie auch noch flugfaul, denn wenn man nicht aufpasst, hat man einen Kea beim Losfahren auf der Motorhaube oder Dach hocken: Hitchhiking ohne zu fragen.
Road to Milford Sound
Wir kamen an das Ende des Tals und etwas höher und schon lag überall Schnee - obwohl wir durch Regenwald fuhren! So langsam wurde uns etwas mulmig, denn mit unserem Auto wären wir bei etwas Schnee auf der Straße recht schnell liegen geblieben - und hätten dann NZ$750 Strafe zahlen müssen.
Und dann kam ein Schild: “Avalanche Area. No Stop the next 5km” - “Lavinengebiet. Kein Anhalten auf den nächsten 5km”. Und fast als bräuchte das Schild einen Beweis, sahen wir die zahlreichen Lavinenabgäng der letzten Wochen. Sie kamen von ganz oben und ging quer über die Straße. Lediglich auf Asphaltbreite wurde eine Schneise durch die Schneemassen geschaufelt, so dass man durch eine hohle Gasse mit 3-4m hohen Schneewänden an den Seiten fuhr.
Einige Kilometer weiter und kurz vor dem Homer Tunnel hielten wir an und entschieden uns nach einer eher wortkargen Diskussion gegen eine Weiterfahrt. Es war uns zu riskant bis nach Milford zu fahren, da wir nicht wussten, wann die Straße wieder geschlossen wird oder sonstige schöne Schilder aufgestellt werden wie “Put on your snow chains” - “Schneeketten bitte anlegen”.
Ein Camp im Nirgendwo
Als Alternative fuhren wir Richtung Hollyford Sound, der ein Stückchen weiter nördlich vom Milford liegt.
Die Straße galt nun nicht mehr als Highway, jedoch als Main Road - und war eine Schotterpiste.
Nach etwa 10km erreichten wir dann das Gunn Camp, welches eines der ersten Siedlungen im Fiordland war und heute in erster Linie als Startort für Wanderer des Hollyford Tracks dient.
Auf den ersten Blick ist es nur eine kleine Ansammlung von kleinen Hütten, doch wenn man genauer hinsieht, findet man lauter kleine Gags und Spielereien.
So zum Beispiel einen Wegweiser, der in zwei Richtungen zeigt.
Zur einen Richtung steht “This Way” und zur anderen “That Way”.
Oder ein Zauntor ohne Zaun auf dem geschrieben steht : “Sandfly protection area.
Please leave gate closed” - “Sandfly Schutzgebiet.
Tor bitte geschlossen halten”.
Herrlich!
Nach der Mittagspause gestärkt fuhren wir wieder zurück nach Te Anau und zum Hostel, machten uns einen Kaffee und Abendessen und legten die Füße hoch - die im Auto ja sehr beansprucht wurden. An dem Abend kam bei mir das erste Mal seit ich in Neuseeland bin, das Gefühl von “richtig Urlaub” auf.
Montag - Tag 3
Und wieder hieß es: Früh aufsteh’n! Und nachdem wir gefrühstückt und unsere Sachen im Auto verstaut hatten, waren wir um 9Uhr dann in Pearl Harbour, dem Hafen von Manapouri, der wirklich so heißt.
Wasserkraftwerk tief im Fels
Als alle 20 Gäste auf den kleinen Motorboot waren, ging es dann mit Vollgas (etwa 15 Knoten) für etwa 50 Minuten über den Lake Manapouri zum West Arm. Dort angekommen, hatten wir ein paar Minuten Zeit uns das kleine Museum mit den Infotafeln über die Manapouri Power Station (Wikipedia - en.), dem größten Wasserkraftwerk Neuseelands, das 200m Tief in den Fels gebaut wurde.
Es war schon beeindruckend, wie man 2km lang mit dem Bus in den Fels gefahren ist und unten dann die riesige Halle mit den sieben Turbinen zu sehen bekam.
Viel Wasser und steile Berge
Wieder am Tageslicht ging es dann gleich weiter über die Wilmot Pass Road hinunter zum Doubtful Sound, wo unser Skipper, Busfahrer und Fremdenführer in Personalunion das Boot fertig machte.
Das hiesige Boot war etwas größer und hatte Tische, die sofort für den Mittags-Snack genutzt wurden - Instantkaffee gab es umsonst dazu. Mit dem Wetter hatten wir etwas Pech gehabt, denn die ganzen spektakulären Wasserfälle waren fast alle trocken, da es in den letzten Tagen zu wenig geregnet hatte. Wir hatten so viel Glück, dass wir genau dann im Doubtful Sound waren, als es gerade mal drei Tage lang trocken war - was vielleicht zwei Mal im Jahr passiert, da es dort an über 270 Tagen im Jahr insgesamt um die 8.000ml regnet.
Aber trotzdem war die Szenerie beeindruckend, denn links und rechts stiegen die Berge steil auf über 1.000m auf mit Regenwald hoch bis etwa 500m. Da die See an dem Tag recht ruhig war, sind wir sogar ein Stück hinaus auf die Tasmanische See gefahren - und hatten dennoch große Probleme bei dem Seegang anständige Fotos zu machen.
Langweilige Rückfahrt
Gegen halb sechs waren wir wieder zurück in Manapouri und machten uns auf den Weg zurück nach Dunedin.
Unterwegs machten wir zwei kleine Stopps.
Den ersten, um den wunderschönen Abendhimmel zu fotografieren und den zweiten zum Auftanken.
Lange Strecken auf neuseeländischen Highways im Dunkeln zu fahren, ist äußerst langweilig.
Von der Landschaft sieht man nichts und auf der Straße passiert auch nicht viel.
Alle paar Kilometer kommt einem mal ein Auto entgegen und auf der eigenen Spur begegnet man niemandem, da alle nur 100km/h fahren dürfen - und es größtenteils auch tun.
LKWs sind sehr rar; wir begegneten lediglich einem.