Über die Probleme des Wissenschafts-Journalismus
Ende September hat Martin Robbins in seinem bei der britischen Tageszeitung The Guardian gehosteten Blog einen weltweit stark diskutierten Artikel über das Schema des englischen Wissenschafts-Journalismus, wie er in der BBC zu finden ist, veröffentlicht. Ich rate jedem, auch denen mit einem eher moderatem Englisch, diesen leicht zu verstehenden Artikel zu lesen. Er ist genial!
Letzte Woche schrieb Martin Robbins dann einen Kommentar zu den Reaktionen, in dem er Antworten und Erkenntnisse zu den Problemen des Wissenschafts-Journalismus suchte. Es sind interessante Details, denn warum haben allein online veröffentlichte Artikel noch immer ein maximales Wort-Limit? Platzgründe, wie bei Printmedien das Hauptargument, sind es wohl nicht. Warum sind online-Artikel noch immer auf Teletext und -prompter optimiert? Warum werden Links und Querverweise so selten genutzt und in den noch seltenerer Fällen auf die eigentlichen Quellen verwiesen? Fragen über Fragen, deren Antworten sehr vage bis non-existent sind.
Heute morgen las ich dann einen Artikel in der F.A.Z. über neue Erkenntnisse in der Quantenphysik. Ich bin nun alles andere als ein Experte auf diesem Gebiet, doch halte ich den Artikel für durchaus lesenswert und gut verständlich. Aber - und das ist ein fett gedrucktes aber - bietet sich dieser Artikel auch an, um an ihm einige der gravierenden Probleme des online-Journalismus im Generellen und des Wissenschafts-Journalismus im Speziellen zu zeigen.
Als erstes fällt auf, dass im gesamten Artikel kein einziger Link zu finden ist - außer zu mehr oder weniger verwandte Artikel im F.A.Z.-Archiv. Wo ist der Link zu der Konferenz, von der die Rede ist? Wo sind die Links zu den indirekt angesprochenen Papern, die vom Autor des Artikels hoffentlich gelesen wurden?
Warum muss erst eine sehr interessierte Leserin einen Kommentar verfassen und um die Zusendung der genauen Quellen per eMail bitten? Ich hoffe, dass der Autor Herr R. Scharf diese eMail schickt und seine Quellen nennt. Vielleicht merkt er dabei dann auch, dass er durch das Weglassen der Links nicht nur sich selbst mehr Arbeit gemacht hat. Arbeit die kostbare Zeit kostet und eine Vergeudung von Zeit ist. Das setzen der Links ist eine einmalige Sache von wenigen Klicks. Das Suchen der Quellen ein langwieriger Prozess, den jeder interessierte Leser selbst durchführen muss. Gegengerechnet gegen das Folgen eines gesetzten Link, was einem einizigen Maus-Klick entspricht: Eine immense Vergeudung von kostbarer Zeit!
Das Setzen von Links setzt die natürliche Hemmschwelle des interessierten Lesers, selbst weiter zu recherchieren, deutlich herab. Ist der Autor des Artikels besorgt, interessierte und selbstständig denkende Leser könnten Fehler in seinem Artikel finden? Hat er Angst über mögliche fachliche Diskussionen mit seinen Lesern? Ich möchte das dem guten Herrn nicht unterstellen! Ebenso wenig, dass er seine Quellen geheim halten möchte. Beides würde ihm jegliche Qualifikation als Wissenschafts-Journalisten entziehen, denn die Wissenschaft selbst ist eine immer währende Diskussion über sich selbst, die zu neuem Erkenntnisgewinn führt.
Liebe online-Journalisten und Wissenschafts-Journalisten, warum ist es für euch so schwer direkte Links auf eure Quellen zu setzen? Ihr nutzt das Internet und verfolgt täglich zahllose Links per Maus-Klick. Als Wissenschafts-Journalist liest man täglich wissenschaftliche Publikationen (genannte ‘Paper’) in Journalen wie der Nature oder Science. Dort findet man haufenweise Verweise und Referenzen auf die Arbeiten anderer Wissenschaftler, seien es Kollegen oder Konkurrenten.
Als Wissenschafts-Journalist versucht man die oftmals sehr schwer verständliche Fachliteratur einer breiteren Leserschaft zugänglich zu machen. Dabei ist man Mittler zwischen Forschern und Laien, muss aber der Wissenschaft gerecht bleiben. Das beinhaltet aber auch, dass man seine Arbeit kontrollierbar macht. Und dazu gehört es primär, seine Quellen anzugeben! (Nebenbei bemerkt: Jedes Schulkind lernt, Quellen zur Stützung eigener Thesen und Aussagen anzugeben.)
Noch ein kleines Gedankenspiel zum Schluss: Angenommen, ich habe in diesem Artikel keinen einzigen Link gesetzt. Wie viele Leser würden sich die Mühe machen, die Artikel von Martin Robbins zu suchen? Oder den F.A.Z.-Artikel? Eine verschwindend geringe Anzahl mit einer starken Konvergenz gegen Null, also niemand.