Arsen, Phosphor und ein Presse-Hype
Am gestrigen Donnerstag wurde eine von der NASA stark gehypte wissenschaftliche Veröffentlichung gemacht. Den ersten Ankündigungen zufolge, sollte man den Beweis für extraterristisches Leben gezeigt bekommen. Wenn man sich es aber mal in Ruhe durchliest, bleibt von der Begeisterung nicht mehr sehr viel übrig - auch wenn es eine mittelgroße biologische Sensation ist.
Konkret geht es um ein vierseitiges Science-Paper von Felisa Wolfe-Simon et al. mit dem Titel “A Bacterium That Can Grow by Using Arsenic Instead of Phosphorus” - zu Deutsch “Ein Bakterium, das mit Hilfe von Arsenat statt Phosphat wächst”. [1]
Um die Tragweite dieser Aussage begreifen zu können, muss man wissen, dass jede bekannte Lebensform aus den sechs Elementen Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O), Stickstoff (N), Schwefel (S) und Phosphor (P) aufgebaut ist. Fehlt eines dieser Elemente, so ist Leben nicht möglich - das war bislang Gesetz.
Phosphor wird von Zellen insbesondere in Form der Verbindung Phosphat (PO43-) in der DNA, RNA und ATP verbaut. [2] Ebenfalls ist es essentiell in der (De-)Aktivierung von Proteinen/Enzymen. Arsen (As) hat die tolle Eigenschaft, dass es sich chemisch sehr ähnlich dem Phosphat gegenüber verhält - aber nur fast. [3] Und das ist der Haken. Arsen kann von Zellen ebenfalls als Arsenat (AsO43-) aufgenommen werden und wird dann auf Grund seiner chemischen Ähnlichkeit zu Phosphat an genau den Stellen verbaut, wo eigentlich Phosphat stehen muss. Nun ist Arsenat aber etwas instabiler als Phosphat und somit wird das Gleichgewicht aus Zerfall und Aufbau in der Zelle empfindlich gestört. Die Zelle stirbt. [4]
Gute Zusammenfassungen dieser Veröffentlichung und einige Kommentare findet man im (generell lesenswerten) Fischblog von Lars Fischer oder bei der Zeit. Aus diesem Grund möchte ich das Rad nicht neu erfinden und auf die dortigen Texte verweisen.
Was ich aber hier bemerken will ist, dass man nun nicht - wie von den Exobiologen [5] und der NASA geschrien - von dem Beweis von außerirdischem Leben reden darf. Ja, es ist eine biologisch sehr wertvolle Entdeckung, doch hat sie recht einleuchtende Erklärungen.
Der Bakterienstamm, um den sich hier alles dreht, ist kein sogenannter Wildtyp, sondern eine Züchtung unter Laborbedingungen. Es wurden natürliche Bakterien des kalifornischen Sees im Labor einem starken Selektionsdruck ausgesetzt, indem die Arsenatkonzentration des Mediums schrittweise erhöht und die Phosphatkonzentration verringert wurde. Gemäß dem darwin’schen Evolutionsprinzip (“Survival of the fittest”) überlebte der Bakterienstamm, der sich am besten an die Umgebung anpassen konnte.
Was jedoch beeindruckend ist - und das muss man herausstellen -, das ist die Tatsache, dass sogar in der DNA Arsenat an Stelle von Phosphat verbaut wurde und auch ATP zu “ATAs” mutiert ist. Das ist die eigentliche Entdeckung!
Abschließend muss man aber auch wiederum sagen, dass die Bakterien zwar in arsenatreicher-phosphatarmer Umgebung wachsen, sich aber deutlich wohler in einer arsenatarmen aber phosphatreichen Medium fühlen.
Also, einmal tief durchatmen. Die kleinen grünen Männchen, von denen die NASA da geredet hat, sind nach wie vor nicht gefunden worden. In meinen Augen wurde lediglich mal wieder gezeigt, wie die darwin’sche Evolution funktioniert.
[1] Wolfe-Simon F, Blum JS, Kulp TR, Gordon GW, Hoeft SE, Pett-Ridge J, et al. A Bacterium That Can Grow by Using Arsenic Instead of Phosphorus. Science [Internet]. 2010 Dec 2;Available from: http://www.sciencemag.org/cgi/doi/10.1126/science.1197258
[2] ATP (= Adenosintriphosphat) wird im Citratzyklus der Mitochondrien der Zellen aus den reduzierten Formen AMP und ADP (-mono-, -di-) bei der Verbrennung von Zucker gebildet. Fehlt ATP, so können sich die Muskeln nicht mehr entspannen (Krämpfe sind toll!) und die Nerven können keine Signale mehr gescheit transportieren.
[3] Arsen steht im Periodensystem der Elemente direkt unter Phosphor
[4] Einige vergangene Monarchen haben diesen Effekt am eigenen Leib zu spüren bekommen. Arsenvergiftung war sehr beliebt bei Feinden.
[5] Ich sehe die Exobiologie nicht als Wissenschaft an, da sie sich lediglich damit beschäftigt das zu finden, worüber sie eigentlich forschen will.